Kitas sind am Limit! Das Kita-Aktionsbündnis in Schleswig-Holstein schlägt Alarm
Rendsburg, 22.11.16. Viele Kitas im Lande arbeiten unterhalb der Mindeststandards; Fachkräfte fehlen bei den Kindern. Die Mitarbeitenden sind längst am Limit und werden häufig krank. Ausfälle durch Krankheit setzen eine Abwärtsspirale der Ausfallzeiten in Gang. In vielen Einrichtungen gibt es keinen Etat für Vertretungszeiten, außerdem bleiben Stellen unbesetzt. Fachkräfte und Vertretungskräfte fehlen an allen Ecken und Enden. Auf die pädagogische Arbeit und die Gesundheit der Fachkräfte hat das enorme Auswirkungen.
Zu diesen Ergebnissen kommt ein Forschungsbericht zu Personalausfällen in Kitas in Schleswig-Holstein, der heute im Hohen Arsenal in Rendsburg von Prof. Dr. Petra Strehmel der Fachöffentlichkeit vorgestellt wurde. Insgesamt folgten rund 250 Teilnehmende der Einladung zu dieser Veranstaltung.
Prof. Dr. Petra Strehmel und Henning Kiani vom Deutschen Institut für Sozialwirtschaft hatten für die Studie im Auftrag des Kita-Aktionsbündnisses Kitaleiter/innen und Trägervertreter/innen aus über 700 nicht-kommunalen Einrichtungen im ganzen Lande zur Personalsituation im Kita-Alltag befragt.
Die Studie offenbart, mit welchen enormen Herausforderungen die pädagogischen Fachkräfte und Leitungen in den Kitas beinahe tagtäglich umgehen müssen“, erklärte Strehmel. „Riskante Personalengpässe sind durch viel zu enge Stellenschlüssel, häufig unbesetzte Stellen und fehlende Vertretungskräfte bei krankheitsbedingten Ausfällen vorprogrammiert. Darunter leiden nicht nur die Kinder, die auf Bildungsangebote verzichten müssen, sondern auch Pädagoginnen und Pädagogen und Leitungskräfte, die mit engagierten Lösungsstrategien zu oft an ihre Grenzen gehen. Es besteht dringender Handlungsbedarf“, so die Expertin.
„Dank dieser Studie haben wir nun zum ersten Mal wissenschaftlich nachprüfbare, handfeste Beweise für die - nun nicht mehr nur gefühlte - Qualitätsmisere in unseren Kitas“, betonte Gesa Kitschke, Leitung Kindertagesbetreuung beim AWO Landesverband Schleswig-Holstein. „Wir können mit Zahlen, Daten und Fakten aufzeigen, wo das Problem ist. Und vor allem, wo und wie es gelöst werden kann und muss.“
Darüber, wie die kritische Situation gemeinsam in den Griff zu bekommen sei, diskutierten im Anschluss an den Fachvortrag Kitaleiterinnen und Eltern mit Vertreter/innen von Kita-Trägern, Öffentlicher Jugendhilfe und Politik; mit dabei auch Sozialministerin Kristin Alheit.
Susanne Rademacher, Kitaleiterin und Mitglied des Geschäftsführenden GEW-Landesvorstandes erklärte: „Bildung ist Beziehungsarbeit. Die funktioniert nur mit mehr Zeit, mehr Verfügungszeiten und einem besseren Fachkraft-Kind-Schlüssel. Sie funktioniert nicht bei ständiger Überlastung der Beschäftigten. Nur etwa die Hälfe der Kitas können laut Studie zum Beispiel bei Personalausfällen auf Vertretungskräfte zurückgreifen. Das geht gar nicht. Da brauchen wir gesetzliche Regelungen, die die Gesundheit der sozialpädagogischen Fachkräfte schützen.“
Volker Peters, Vorsitzender der Landeselternvertretung für Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein forderte: „Das Personal in den Kitas muss dringend aufgestockt werden; es muss sichergestellt sein, dass unsere Kinder gut betreut werden, in guter Qualität. Und es ist uns Eltern wichtig, dass die finanzielle Beteiligung der Eltern landesweit einheitlich geregelt wird. So dass nicht jede Kommune ihr eigenes Süppchen kocht. Die Eltern müssen wissen, woran sie sind!“
Zum Abschluss der Veranstaltung appellierte Kitschke an die Besucherinnen und Besucher: „Nehmen Sie die Studie zum Anlass, die Problematik auf Orts- und Regionalebene mit allen Beteiligten weiter zu diskutieren. Tragen Sie die Botschaft ins Land!“
Folgende Forderungen ergeben sich für das Kita-Aktionsbündnis aus den Ergebnissen der Studie:
- Der Stellenschlüssel in den Einrichtungen muss dringend angehoben werden, damit die gesetzlichen Vorgaben überhaupt eingehalten werden können. Darüber hinaus muss der Fachkraft-Kind-Schlüssel generell verbessert werden.
- Eine einheitliche Bemessungsgrundlage für Ausfall- und Verfügungszeiten ist zu schaffen. Vertretungsregelungen müssen gesetzlich verankert und finanziell abgesichert sein.
- Krankheitsbedingte Ausfälle müssen im Umfang der tatsächlichen Durchschnittszahlen in eine einheitliche und verbindliche Bemessungsgrundlage für Ausfallzeiten aufgenommen werden.
- Es ist dringend erforderlich, geeignete Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel zu ergreifen. Das gesamte Arbeitsfeld Kindertageseinrichtung muss attraktiver gestaltet und das Berufsbild der pädagogischen Fachkraft aufgewertet werden.
- Ein auskömmliches, einheitliches, flächendeckendes Finanzierungskonzept muss endlich auf den Weg gebracht werden!
Das Kita-Aktionsbündnis „Unsere Kinder – unsere Zukunft“ besteht aus der Landeselternvertretung für Kindertageseinrichtungen, den Gewerkschaften GEW, Ver.di und Kirchengewerkschaft sowie den Freien Wohlfahrtsverbänden und dem Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein e.V. (VEK).
Die wichtigsten Ergebnisse, das Fazit und die daraus folgenden Forderungen des Kita-Aktionsbündnisses finden Sie auch hier in dem Papier „Kitas am Limit! Aktionsbündnis schlägt Alarm“. Die Studie steht ebenfalls hier zum Herunterladen bereit.